Sensibilisierung von Führungskräften zum Thema Werk-Dienstvertrag

Am 27.04. beginnt die erste Schulung in einem systematisch aufgepanten Programm zur Reduktion von Werkvertragsrisiken in einem unserer Kundenunternehmen. Die Geschäftsleitung eines Beratungsunternehmens aus dem Mittelstand hat erkannt, dass im Bereich der Dienstleistung erhebliche Risiken von der falschen Anwendung von Werk-/Dienstverträgen ausgehen. Falsch gehandhabte Verträge dieser Art können im Zuge staatlicher Prüfungen als Scheinwerkverträge oder -selbstständigkeiten aufgefasst werden, was einen Verstoß gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) darstellt. Derartige Verstöße können als kostspielige Ordnungswidrigkeiten oder aber auch als Strafsachverhalte eingeordnet werden.

Diese Risiken umfassen somit nicht nur Finanzen und Reputation, sondern auch die Geschäftsleitung und die zuständigen Führungskräfte. Aus diesem Grund wurden gemeinsam mit der Primestone Consulting neue Strukturen im Unternehmen unseres Kunden aufgesetzt.

Neben internen Prozessen zur Risikobewertung und dem bewussten Umgang mit den Vertragsformen stellt die Sensibilisierung der Führungskräfte und Mitarbeiter eine wesentliche Säule der Absicherung dar. Unser Sensibilisierungsworkshop geht dabei auf die juristischen Grundlagen der Vertragsformen ein, wirft einen Blick auf Vorgehen und Kriterien externer Prüfer, zeichnet ein Bild der konkreten persönlichen Risiken der Führungskraft und zeigt Lösungsansätze in der Vertragserstellungsphase und der -umsetzungsphase von Werk- und Dienstverträgen auf. Abgerundet wird der Wissenstransfer durch die praxisnahe Diskussion aktueller Beauftragungen und dem „Leben“ der Kunden-Lieferantenbeziehung.

Werk- und Dienstverträge stellen ein unterschätztes Risiko dar, sie können jedoch mit einem strukturierten Vorgehen, und damit mit überschaubarem Aufwand, beherrschbar gemacht werden. Essenziell dabei ist die Kommunikation und Sensibilisierung der Verantwortlichen, der im Werkvertrag tätigen Mitarbeiter, aber auch der Entscheidungsträger des eigenen Kunden.

Lesen Sie dazu gern unsere weiterführenden Webseiten. Bei Fragen kontaktieren Sie uns unter info@primestone-consulting.com.


Nutzen, Risiko und Grenzen des Einsatzes von Werkverträgen

Der Werkvertag steht aktuell durch den teils ausbeuterischen Einsatz in der Fleischindustrie stark in der Kritik. Durch die vielen Corona-Infektionen fällt der Blick auf die jahrelangen, systematischen Versäumnisse der Beteiligten und die fehlende Kontrolle geltenden Rechts durch die staatlichen Kontrollorgane.

Dabei steht heute sogar die branchenübergreifende Maximalforderung eines Verbots der Werkverträge im Raum. Unter der Annahme, dass ein solches Verbot unverhältnismäßig ist und gegen die Verfassung bzw. das EU-Recht verstößt, müssen sich Unternehmer und Entscheidungsträger folgende wichtige Fragen für den Einsatz dieser Vertragsoption stellen:
Wann bringt ein Werkvertrag meinem Unternehmen tatsächlich Nutzen? Welchen Risiken setze ich mich und mein Unternehmen aus? Wann sollte ich vom Werkvertrag Abstand nehmen oder mir fachkundige Unterstützung suchen?

Lassen Sie mich diese Fragen kurz beleuchten.

Was genau ist denn ein Werkvertrag?

Der Werkvertrag ist seit dem Jahr 1900 im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert. Er beschreibt ein Zusammenarbeitsmodell, in welchem der Auftraggeber dem Auftragnehmer einen abgrenzbaren, definierten Erfolg schuldet. Dafür erhält der Auftragnehmer vom Auftraggeber eine Gegenleistung – in aller Regel eine Vergütung. Das Zusammenarbeitsmodell ist also kurz gesagt: „Erfolg gegen Geld“.

Der Dienstvertrag gleicht dem, allerdings ist hier lediglich ein Bemühen, nicht ein Erfolg zu erbringen – also „Bemühen gegen Geld“. Abgesehen vom Erfolgselement, sind die Anforderungen an die Vertragserbringung gleich. Umfangreichere Vergaben sind in der Praxis meist eine Kombination beider Vertragstypen. Zur besseren Lesbarkeit verwende ich den Begriff „Werkvertrag“ hier für beide Vertragstypen zusammenfassend.

Neben dem definierten Erfolg hat der Werkvertrag weitere Merkmale: Das Gewerk entsteht in Eigenverantwortung und mit eigenem wirtschaftlichem Risiko des Auftragnehmers. Das bedeutet, dass dieser eine unabhängige Betriebsorganisation unterhalten muss, weisungsfrei vom Auftraggeber handelt und letztendlich für sein Gewerk bzw. seine Leistung verantwortlich ist. Damit grenzt er sich klar von der Arbeitnehmerüberlassung ab, bei welcher lediglich die Bereitstellung einer weisungsgebundenen „Arbeitskraft gegen Geld“ geschuldet wird.

Ich möchte nun einen kurzen Blick auf die Einsatzfelder und den Nutzen von Werkverträgen werfen.

Warum werden Werkverträge verwendet –
welchen Nutzen hat die Vergabe von Arbeitsinhalten an Dritte?

In einer arbeitsteiligen und stark wettbewerbsorientierten Wirtschaft spielt die Steigerung der Effektivität und Effizienz durch Spezialisierung eine wichtige Rolle. Neben dem reinen Kaufvertrag für ehemals selbst hergestellte Güter, ermöglicht die Fremdvergabe (oder auch Outsourcing) im Werk- oder Dienstvertrag eine solche Spezialisierung.

In erster Linie hilft der Werkvertrag bei der Konzentration auf die Kernkompetenzen des Unternehmens. Das bedeutet, dass die Ressourcen (Anlagen, Investitionen und Personal) eines Unternehmens möglichst ausschließlich auf das fokussiert werden, was das Unternehmen am besten leisten kann. Damit schafft die Organisation spezifische Fähigkeiten, Wissen und Technologien. Dies wiederum erhöht die Qualität und ggf. die Output-Menge des Unternehmens und stärkt so die eigene Wettbewerbsposition, das sogenannte Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition). Alle auslagerbaren Randaktivitäten sind nach dieser Strategie an spezialisierte Lieferanten zu vergeben. Diese Spezialisierungsvernetzung bringt für alle Beteiligten mögliche Kostenreduktionen z.B. durch Mengeneffekte, Fixkostenreduktion oder Personalkosteneinsparung mit sich. Gleichzeitig schafft die Fremdvergabe unternehmerische Flexibilität und senkt einige betriebswirtschaftliche Risiken, wie z.B. Komplexitäts-, Vertrags- und Personalrisiken. Letztlich kann sich das Unternehmen über eine Fremdvergabe spezifisches Knowhow zukaufen.

Übergeordnetes Ziel ist damit die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und die Sicherung langfristiger Wettbewerbsvorteile.

Der Erfolg dieser Strategie ist jedoch in der Praxis nicht immer vollständig gegeben oder tritt mitunter gar nicht ein.

Welche Risiken bringt eine Auslagerung mit sich – welche Gefahr geht dabei speziell vom Werkvertrag aus?

Hier möchte ich kurz auf die Risiken und Nachteile der Spezialisierungsstrategie, insbesondere mit Blick auf den Werkvertrag eingehen. Die Zusammenarbeit mit marktdominierenden Spezialisten kann gefährliche Abhängigkeiten für das beauftragende Unternehmen schaffen. Gängige Beispiele sind eine Verschlechterung der Verhandlungsposition und hohe Transaktionskosten beim Lieferantenwechsel, bzw. bei der Zurückverlagerung (Back-Sourcing) der fremdvergebenen Inhalte. Neben Qualitätsproblemen beim Lieferanten können Lieferverzögerung, Knowhow-Abfluss und hohe Kontrollkosten entstehen. Abgesehen davon kann die Auslagerung von Leistungen innerbetriebliche Widerstände etwa durch Betriebsrat und Belegschaft auslösen, welche Schäden an Kultur, Reputation und Effizienz hinterlassen.

Neben den genannten Risiken spielt der fehlerhafte Einsatz von Werkverträgen eine wesentliche Rolle. Die Vermeidung solcher Fehler ist der Kern unserer Beratungsleistung.

Erkennen Behörden oder die Staatsanwaltschaft einen Scheinwerkvertrag und dieser lässt sich nicht mehr entkräften, dann wird das vom Werkvertragsnehmer eingesetzte Personal rückwirkend für bis zu 30 Jahre beim Auftraggeber angestellt. Bestehen Lohn- und Gehaltsdifferenzen zwischen den Vertragspartnern, so sind diese, ebenso wie die unbezahlten Beträge für Sozialversicherung und Steuern, auszugleichen.

Im nächsten Zug entscheidet sich, ob der Auftraggeber davon Kenntnis hatte oder nicht. Steht der Vorsatz im Raum, so kann es zusätzlich zu Freiheitsstrafen für die verantwortlichen Entscheidungsträger kommen. Zumindest kommen jedoch Bußgelder bzw. die Abschöpfung des erlangten Gewinns zum Tragen. Damit einher gehen Reputationsverlust und Prozessstillstände durch die Ermittlung der Behörden bzw. die Umstellung der Zusammenarbeit einher.

Dadurch stehen erhebliche Schadensummen im Raum. Die Verantwortlichen müssen bei derartigen Compliance-Verstößen auch damit rechnen, dass gegen sie Schadenersatz geltend gemacht wird.

Um die Fremdvergabe erfolgreich zu nutzen und deren Risiken zu minimieren, ist daher eine genaue Analyse und Abwägung notwendig. Spricht die Gesamtschau für den Einsatz von Werkverträgen, so sind diese durch die richtige Gestaltung von Prozessen und Schnittstellen, durch eine klare Leistungsbeschreibung inklusive Vertragswerk und durch ein kluges Management in der Durchführung zu flankieren.

Auf was ist bei der Fremdvergabe besonders zu achten – was sind die Grenzen des Einsatzes von Werkverträgen

Hier hilft es, sich zu veranschaulichen, warum Politik und Gewerkschaften dem Werkvertrag kritisch gegenüberstehen. Dies sind für die prüfenden Behörden, neben den Dienstanweisungen, oft zusätzliche handlungsleitende Argumente. Besonders kritische Verdachtsmomente sind hier die Umgehung von Tarifverträgen, die Aushöhlung der betrieblichen Mitbestimmung, das Preis- und Sozialdumping, sowie die Umgehung der Rahmenbedingungen der Arbeitnehmerüberlassung, wie z.B. Equal Pay und Höchstüberlassungsdauer. Stehen beim Entwurf einer Vergabestrategie derartige Fragestellungen im Raum und sind diese argumentativ nicht unmissverständlich auszuräumen, so ist Vorsicht geboten. Im Folgenden biete ich einen kurzen Blick auf kritische Indikatoren, die den Einsatz eines Werkvertrages für die Geschäftsführung eines Unternehmens gefährlich machen:

 

  1. Das Unternehmen stellt von Arbeitnehmerüberlassung auf einen Werkvertag um. Dies geschieht zum Ablauf der tariflichen oder gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer. Dabei kommt gegebenenfalls der gleiche Lieferant oder ein Tochterunternehmen zum Zuge und die Zusammenarbeitsbedingungen ändern sich kaum.
  2. Der vom Unternehmen gewählte Auftragnehmer hat kein erkennbares Geschäftsmodell, welches sich von dem einer Zeitarbeitsfirma abhebt. Er kann weder ein besonderes Knowhow noch eine Kernkompetenz glaubhaft vorweisen. Das Auftragnehmer-Unternehmen betreibt auch kein explizites Marketing, um weitere Marktanteile zu sichern.
  3. Das Zusammenarbeitsmodell im Werkvertrag besteht bereits seit langer Zeit unter gleichen Bedingungen. Es sind bisher keinerlei Haftungsfälle und Mängelrügen gegen den Lieferanten geltend gemacht worden.
  4. Im Zuge der Auftragsvergabe tut sich die Fachabteilung des Unternehmens schwer, den Erfolg messbar zu beschreiben. Das Lastenheft ist schwammig und die Leistung kann nur durch erhebliche Steuerung bzw. durch Eingriffe eigener Mitarbeiter überhaupt erbracht werden.
  5. Das Geschäftsmodell des Unternehmens ist nur dann rentabel, wenn auf günstige Arbeitskräfte im Werkvertrag zurückgreifen werden kann.
  6. In den Fachbereichen des Unternehmens besteht eine Kultur der Kontrolle. Es ist davon auszugehen, dass dies zu intensiven Eingriffen in das Gewerk seitens der Führungskräfte und Mitarbeiter führen wird.
  7. Das beauftragte Unternehmen kann die Leistung gar nicht selbst erbringen und ist darauf angewiesen, aus Knowhow- oder Kostengründen, wiederum eine Subvergabe durchzuführen. Dieses Vorgehen lässt sich dabei nicht durch branchentypische Arbeitsgemeinschaften begründen.

Fazit zur Einsatzentscheidung von Werkverträgen

Die Fremdvergabe im Werkvertrag ist in vielen Fällen sinnvoll und mit Blick auf den globalen Wettbewerbsdruck auch überlebenswichtig. Er dient der nachhaltigen Absicherung des Unternehmens durch den optimalen Einsatz der betrieblichen Ressourcen und ist damit ein wichtiges und richtiges Werkzeug. Allerdings ist der Einsatz kritisch zu hinterfragen, da diverse Risiken bestehen, allen voran der Knowhow-Abfluss, die Abhängigkeiten und natürlich der rechtswidrige Einsatz. Die Abwägung von Chancen und Risiken muss bei komplexen Vergaben daher unbedingt erfolgen.

Die oben beschriebenen kritischen Beispiele werden von den Behörden einfach identifiziert und sind dann nicht mehr ohne gute Vorbereitung zu verteidigen. Darüber hinaus sind sie derart offensichtlich, dass dem Entscheidungsträger unterstellt werden kann, dass dieser das Risiko des Scheinwerkvertrages hätte erkennen müssen oder den Vertragstypus bewusst rechtswidrig eingesetzt hat. Daraus kann ein (bedingter) Vorsatz abgeleitet werden, der dann zur strafrechtlichen Verfolgung des Entscheidungsträgers oder zu außerordentlich hohen Bußgeldern gegen Firma und Entscheider führen wird.

In der Praxis sind Vergaben oft komplex, undurchsichtig und in ihrem Risiko nicht so einfach zu durchdringen. Daher ist eine Begleitung der Fremdvergabeentscheidung, die Gestaltung der Vertragsgrundlagen und die Umsetzungskontrolle durch fachkundige Spezialisten aus meiner Sicht dringend zu empfehlen.


Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischwirtschaft

Kritik am geplanten Verbot von Werkvertrag und Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischindustrie

Mit schmackhaften Steaks auf dem Grill wird von den Discountern die Grillsaison werbewirksam inszeniert und mit attraktiven Sonderangeboten unterstrichen. Wie jedes Jahr werden dann auch die Stimmen laut, welche die Bedingungen von Tierhaltung und Arbeitsbedingungen kritisch hinterfragen. Dieses Jahr ist die Diskussion vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie jedoch besonders brisant.

Nach den ersten Infektionsausbrüchen forderte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Mai die Abschaffung des Werkvertrags und der Arbeitnehmerüberlassung zum 01.01.2020, als ein Element seines Arbeitsschutzprogramms für die Fleischwirtschaft. Das Kabinett verabschiedete ein Gesamtpaket, welches die digitale Erfassung von Arbeitszeiten, die Verstärkung der Kontrollen, eine Bußgelderhöhung, die Aufklärung ausländischer Arbeitskräfte und eben das Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung in der Fleischwirtschaft umfasst. Zusätzlich forderte SPD-Fraktionschef Mützenich das branchenübergreifende Verbot von Werkverträgen und findet dabei starke Unterstützung bei der LINKEN. Flankiert wurde die Initiative von verstärkten Kontrollen der Behörden gegenüber den Unternehmen der Fleischwirtschaft. Gegen das Verbot der Werkverträge geht die Fleischindustrie lobbyistisch und juristisch vor. Die Geflügelwirtschaft zieht nun erste Konsequenzen, will den Werkvertrag kraft Selbstverpflichtung ausschließen, besteht jedoch ausdrücklich auf die Nutzung der Arbeitnehmerüberlassung zum saisonalen Ausgleich.

Die Ausbrüche von Corona in den Fleischbetrieben, allen voran der Fall Tönnies, bringt die Diskussion nun mitten in die Gesellschaft. Der lokale Lockdown und Einschränkungen beim Urlaub emotionalisieren das Thema zusehends. Abgesehen davon schadet die Situation politisch dem Ruf der Bundesrepublik, deren erfolgreiches Vorgehen bisher weltweit Anerkennung findet. Die Androhung eines EU-Vertragsverletzungsverfahren mit Bezug auf die systematische Benachteiligung von EU-Bürgern in der Bundesrepublik unterstreicht das. In Summe haben wir nun eine komplexe, emotionsgeladene dynamische Gemengelage.

Vorab stelle ich klar, dass für mich die menschenunwürdige und überteuerte Unterbringung der Arbeitskräfte, der Betrug bei der Erfassung der Arbeitszeiten und der systematische Verstoß gegen die 10-Stunden-Regel illegal, schäbig und unmoralisch sind. Es ist selbstverständlich, dass wir dies als Gesellschaft nicht tolerieren und dass diese illegalen Praktiken von den Behörden konsequent verfolgt werden müssen. Ich weiß aber auch, dass wir alle für Tierwohl und soziale Gerechtigkeit als Konsumenten bezahlen müssen.

Bringen wir durch die richtigen Fragen zuerst Ordnung in das Thema!

Fokussieren wir nun den Blick auf die Frage des Verbots von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen in einer speziellen Branche. Als Betriebswirt stellen sich mir folgende Fragen: „Löst die gewählte Maßnahme tatsächlich das Problem? Ist die Maßnahme verhältnismäßig und damit überhaupt rechtens? Können nicht andere Maßnahmen das Problem besser lösen?“

Vorab die triviale Frage: „Können wir Seuchen durch den Ausschluss von Arbeitnehmerüberlassungen und Werkverträgen eindämmen?“ Die Antwort erscheint klar – Nein. Die Verbreitung von Krankheitserregern wird durch Prozessablauf, notwendige Rahmenbedingungen und Stand der Technik begünstigt. Die Einhaltung von Mindestabstand, Hygieneregeln, Stichprobentests und der Einsatz alternativer Raumbelüftung wird hier der Lösungsweg sein. Gleiches gilt für die Unterbringungssituation der tätigen Arbeitskräfte. In welchem Vertragsverhältnis diese dabei tätig sind, ist unerheblich.

Die zweite Frage, setzt Fachkenntnis voraus: „Können die Arbeitsverhältnisse und die Entlohnungsgerechtigkeit durch das Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen sichergestellt werden?“

Mit Bezug auf die Arbeitnehmerüberlassung sage ich auch hier – Nein. Im Gegenteil, wir verbieten damit paradoxer Weise eine Chance auf gerechtere Entlohnung! Der jahrelange Streit über billige Arbeitskräfte in der Zeitarbeit hat zu einem System geführt, welches nicht nur Mindestlohn, sondern staatlich geprüftes Tarifentgelt – inklusive Equal Pay – ermöglicht. Das haben die Arbeitsminister der SPD explizit erstritten. Dies inkludiert die Betrachtung von Arbeitszeiten, Arbeitszeitkonten, Urlauben und Feiertagen, welche von der Agentur für Arbeit im Zuge der einschlägigen Prüfungen regelmäßig kontrolliert werden. Ich unterstreiche, dass das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) erhebliche Strafen bei Verstößen verhängt. Umso widersinniger erscheint mir das Verbot der Arbeitnehmerüberlassung in spezifischen Branchen, das inkludiert das Bauhauptgewerbe – in welchem ein solches Verbot heute existiert. Offensichtlich scheinen die politischen Verantwortlichen eine Verhandlungsmasse für den politischen Konsens aufzubauen oder der Gewerkschaft in der Fleischwirtschaft mehr Einfluss zuzuschieben.

Betrachten wir die obige Gerechtigkeitsfrage mit Bezug auf die Werk- und Dienstverträge, hier sage ich – Vielleicht. Die Bandbreite der Möglichkeiten zur Ausbeutung und vor allem zur Intransparenz können damit ggf. reduziert werden. Aber nur, wenn an deren Stelle nicht andere Methoden treten, welche die Arbeitskräfte aus dem Ausland ausbeuten. Eine Änderung der Gesetzeslage führt zur Anpassung bzw. Verfeinerung der Geschäftsmodelle der ausbeutenden Organisationen im Hintergrund. Überteuerte Mieten, überhöhte Transferkosten aus dem Heimatland und Vermittlungsgebühren für Jobs in Deutschland sind damit nicht gelöst. Daneben kann das Drohszenario der Fleischindustrie tatsächlich eintreten, welches einen Teil der Produktion ins Ausland verlagert. Dort haben wir dann keinen direkten Einfluss auf die Arbeitsbedingungen, Hygiene, Lohngerechtigkeit und Tierwohl.

Wenden wir uns nun der Frage der Verhältnismäßigkeit zu. Im ersten Zuge müssen wir die Unschuldsvermutung annehmen und davon ausgehen, dass Unternehmen in Treu und Glauben den Werkvertrag einsetzen. Korrekt eingesetzt ist der Werkvertragsnehmer verpflichtet, seine Arbeitskräfte mit dem Mindestlohn oder darüber hinaus zu entlohnen. Auch gelten selbstverständlich die anderen Rechtsnormen, wie z.B. die Arbeitsschutzrichtlinien. Der Deutsche Zoll untersucht aktuell viele Unternehmen der Fleischwirtschaft, ohne klare Pressemeldungen. Das ist für mich ein Zeichen dafür, dass bisher nichts Systematisches gefunden wurde und sich die Zusammenarbeit innerhalb des gesetzlichen Rahmens abspielt. Unsere anwaltlichen Partner untersuchen seit Jahren Unternehmen der Fleischwirtschaft und wissen, dass die juristischen Risiken dort ernst genommen und notwendige Maßnahmen nach bestem Wissen und Gewissen eingeleitet werden. Viele Unternehmen bemühen sich, die Abwicklung von Werkverträgen korrekt umsetzen. Denn dieser Bereich wird vom Zoll stichprobenartig geprüft. Verstöße wie Scheinwerkverträge und Scheinselbstständigkeiten führen regelmäßig zu empfindlichen Strafen gegen Unternehmen und Entscheidungsträger. Klar ist auch, dass es Aufraggeber gibt, die die Verstöße ihrer werkvertragsnehmenden Unternehmen erahnen oder kennen und dies ggf. billigend in Kauf nehmen. Dagegen ist vorzugehen. Jedoch die Abschaffung der Werkverträge gilt für alle Unternehmen gleichermaßen und stellt die rechtstreuen Auftraggeber und -nehmer unter Generalverdacht. Ergänzend stellt sich die Frage, ob wir von Seite der Behörden und der Politik tatsächlich in ausreichendem Maß geprüft wurde und damit eine Disziplinierung der Branche bezüglich der bereits existierenden Rechtsnormen tatsächlich erfolgt ist. Das schließt auch die Behörden aus den entsendenden Ländern ein, die jetzt empört auf den Schutz ihrer Bürger pochen.

Weiterhin stellt sich die Frage, ob es nicht bereits andere Rechtsnormen gibt, welche die Problemfelder abdecken. Hier rückt die zum 30. Juli 2020 von der EU geforderte Anpassung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes in den Blick. Ihr Ziel ist die wirksame Vermeidung von Lohn- und Sozialdumping in der EU. Hier wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dessen Dienstherr Arbeitsminister Heil ist, ein Entwurf eingereicht, dem im Bundestag am 18. Juni 2020 zugestimmt wurde. Der Bundesrat muss diesem nun bis zum Juli zustimmen. Das Gesetz hat, vereinfacht dargestellt, folgende, für alle Branchen geltende, Regelungen: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, Mindeststandards für die Unterkünfte und Arbeitsstätten, Kostenübernahme für die Unterbringung , Verpflegung und Reise, keine Anrechenbarkeit der entsendebedingten Kosten auf den Lohn, Pflicht zur Beratung der Arbeitskräfte und eine Verbindlichkeitserklärung für Leiharbeiter. Jetzt ist die Frage berechtigt, warum dann der Werkvertrag und die Arbeitnehmerüberlassung ausgeschlossen werden müssen, wo doch die neue Entsenderichtlinie auch für die Fleischwirtschaft gilt.

Zuletzt stellt sich die Frage „Ist das Verbot des Werkvertrages (der immerhin eine Säule des Bürgerlichen Gesetzbuchs darstellt – und das seit 1900) überhaupt rechtens?“ Es handelt sich um einen Eingriff in die freie wirtschaftliche Grundordnung und in die Vertragsfreiheit, die über die Corona-Krise hinaus Bestand haben wird. Hier stehen berechtigte Zweifel im Raum, welche in einem Papier der Arbeitsgemeinschaft Werkverträge und Zeitarbeit (Prof. Dr. Hansjürgen Tuengerthal: Corona-Krise und Fleischwirtschaft, Mannheim 03.06.2020) intensiv thematisiert werden. Kurz zusammengefasst wird ggf. die freie Berufswahl durch den Zwang der Festanstellung eingeschränkt (Artikel 12 Grundgesetz), es wird die Dienstleistungsfreiheit und die unternehmerische Freiheit eingeschränkt (Artikel 56 AEUV und Artikel 16 EU-Grundrechtscharta) und letztlich wird die Vertragsfreiheit (Artikel 2 Grundgesetz) und die Eigentumsfreiheit (Artikel 14 Grundgesetz) berührt.

Damit haben wir die oben genannten Fragen beleuchtet und ich komme zu folgendem Schluss:

Das Verbot von Werkverträgen löst das Problem der Infektionsausbrüche nicht, hier muss technisch und prozessual eingegriffen werden. Das Problem der gerechten Behandlung kann gelöst werden, aber nur wenn wir davon ausgehen, dass den mafiösen Strukturen hinter der Subvergabe keine Anpassung ihres illegalen Geschäftsmodells gelingt. Das Verbot der Arbeitnehmerüberlassung ist aus meiner Sicht kontraproduktiv, da es der Branche die letzte Möglichkeit zur Flexibilisierung nehmen würde. Das Verbot wäre dazuhin vollkommen unverhältnismäßig, da es ohne erbrachte Beweise alle Werkvertragsnutzer unter Generalverdacht stellt und dazuhin mit dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz bereits alle geforderten rechtlichen Rahmenbedingungen auf den Weg gebracht wurden. Auch zweifle ich an, dass Staat und Politik ihren Kontrollpflichten nachgekommen sind, denn die Missstände sind ja bereits lange Zeit bekannt. Letztlich ist davon auszugehen, dass das Verbot verfassungs- und EU-rechtswidrig ist.

Für mich drängt sich der Eindruck auf, dass Herr Heil sich auf den Wahlkampf vorbereitet und das Profil der SPD als Arbeiterpartei zu schärfen versucht.  Ich sehe das Vorgehen als den Versuch an, eine mehrfach gescheiterte Regulation der Fleischwirtschaft unter dem Deckmantel der Corona-Krise geschickt durchzudrücken. Und zuletzt möchte ich auch den Machtzuwachs und den potenziellen finanziellen Nutzen für die relevanten Gewerkschaften nicht unerwähnt lassen.

Mein beruflicher Kodex bring es mit sich, nicht mit Problembeschreibung und Schuldzuweisung zu enden. Daher eine letzte Frage:

„Wie lösen wir nun das Problem?“

Die großen Schlachthöfe müssen Geld in die Hand nehmen und sehr zügig ihre Prozessabläufe umbauen. Damit einhergehend akzeptieren sie keine Ausnahmen bei Hygienerichtlinien. Dazuhin sind technische Lösungen zur Ausleitung oder Dekontamination der Aerosole zu implementieren. Diese Lösungen werden den Output der Verarbeitung reduzieren, mittelfristig Umsatz und Gewinn schmälern und damit neue Flächen und Anlagen nötig machen. Im Zuge dieses Umbaus muss die weitere Digitalisierung und Automatisierung umgesetzt werden. Das Zerlegen von Tieren ist ein anspruchsvolles Handwerk, aber auch das muss doch mit Robotern möglich sein. Insbesondere dann, wenn es auf dem lokalen Markt keine Menschen gibt, die sich zu diesem harten Beruf bereit erklären. Wenn in Corona-Zeiten zweckbezogene Investitionen staatlich gefördert werden, dann doch bitte auch an dieser Stelle.

Dem Verbot der Werkverträge und der Arbeitnehmerüberlassung muss entschieden entgegengetreten werden. Die passenden Initiativen, wie z.B. die Interessengruppe Werkverträge Fleisch, sind bereits gestartet. Wir können als Wirtschaft und Gesellschaft keine derart vereinfachenden und populistischen Eingriffe in unsere Rechtsordnung zulassen. Insbesondere dann nicht, wenn eine machtpolitische Agenda zu Gunsten einer Interessengruppe, wie z.B. einer Einzelgewerkschaft, offensichtlich erkennbar ist.

Es existiert die bereits zu 50% verabschiedete Entsenderichtlinie, welche die ausländischen Mitarbeiter quasi gleichstellt, deren Entlohnung und Unterbringung klärt, deren Beratung fordert und die Ausbeutung deutlich erschwert. Diese Lösung muss von Seiten des Arbeitsministers öffentlich dargelegt werden. Mit dem 30. Juli 2020 wäre das Gesetz anzuwenden und die Behörden, allen voran der Deutsche Zoll, müssen dann schwerpunktmäßig dort eingesetzt werden. Die konsequente Aufdeckung von Verstößen und die Verhängung von Bußgeldern bzw. Freiheitsstrafen schaffen
Abschreckung und Erziehungseffekte bei den Protagonisten. Das ist die verpflichtende Aufgabe v.a. unserer Exekutive, die nicht wegschauen darf und die mit den notwendigen Mitteln auszustatten ist.

Die hier benannten Maßnahmen werden den Fleischpreis vermutlich erhöhen und die Nachfrage infolgedessen reduzieren. Wie stark der Effekt sich ausprägt, liegt an den Konsumenten und den Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette. Aus volkswirtschaftlicher Sicht wird sich ein neues Gleichgewicht von Fleischpreis und Menge bilden, welches auf einem fairen Niveau nachhaltige Geschäfte ermöglicht. Dabei haben die Behörden eine weitere wesentliche Aufgabe: Die Sicherstellung der Einhaltung des Tierwohls. Neben der Tatsache, dass wir moralisch und rechtlich dazu verpflichtet sind, reduziert es die Chance, dass dann das Fleisch in weit entfernten Niedriglohnländern verarbeitet werden kann.


Arbeitnehmerüberlassung

Die Höchstüberlassungsdauer als limitierender Faktor der Zeitarbeit

Seit der Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) gelten für den Einsatz von Leiharbeitnehmern wesentliche Verschärfungen. Neben dem Equal-Pay-Grundsatz und der Offenlegungs- und Konkretisierungspflicht (Wegfall der sog. Fallschirmlösung), hat dabei vor allem die Befristung der Höchstüberlassungsdauer auf grundsätzlich 18 Monate, weitreichende Auswirkungen auf die Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmerüberlassung.

Was muss bei der Höchstüberlassungsdauer beachtet werden?

Die Überlassungsdauer ist nicht betriebs-, sondern rechtsträgerbezogen (ArbR 2017, 5 f. m.w.N.). Demzufolge ist zu hinterfragen, welche juristische oder natürliche Person mit dem Personaldienstleister den Vertrag geschlossen hat, der letztlich die Grundlage für den Einsatz des Zeitarbeitnehmers darstellt, um das Ende des Entleihzeitraums berechnen zu können. Für die Berechnung ist es irrelevant, wenn das verliehene Personal auf unterschiedlichen Arbeitsplätzen mit unterschiedlichen Tätigkeiten oder an wechselnden Arbeitsorten eingesetzt wird. Denn um den Überlassungszeitraum zurückzusetzen, muss der Leiharbeitnehmer für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten und einem Tag bei einem anderen Entleiher eingesetzt werden (vgl. Bissels & Falter 2017).

Sollte eine Überschreitung der Höchstüberlassungsdauer vorliegen, wird das Arbeitsverhältnis zwischen dem Zeitarbeitnehmer und dem Entleihbetrieb fingiert (§ 9 Abs. 1 Nr. 1b i.V.m. § 10 Abs. 1 AÜG). Eine Ausnahme ist nur möglich, wenn eine sog. Festhaltenserklärung abgegeben wurde. Dies führt zu einem „Rückfall“ des Arbeitsverhältnisses an den Personaldienstleister (vgl. § 9 Abs. 2, 3 AÜG). Ein derartiger Verstoß wird jedoch mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro für das Zeitarbeitsunternehmen geahndet (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1e, Abs. 2 AÜG) und kann zu einem Entzug der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung (§ 5 AÜG) führen. Um die gesetzliche Übergangsvorschrift § 19 Abs. 2 AÜG zu vermeiden, muss der Ablauf der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten exakt bestimmt werden.

Der Werk- oder Dienstvertrag bietet häufig eine sinnvolle Alternative, da es hier keine Vorgaben für eine zeitliche Befristung gibt.

Zwar gibt es zur Verlängerung der Höchstüberlassungsdauer Konzepte wie das sog. „Entleihkarussell“, welches in der praktischen Umsetzung aber meist mit großen operativen Schwierigkeiten verbunden ist. Außerdem zeigt die Erfahrung, dass die vielfältigen Möglichkeiten von Werk- und Dienstverträgen vielen Unternehmen nicht bekannt sind. So bietet der intelligente und rechtskonforme Einsatz von Werk- und Dienstverträgen häufig eine sinnvolle Alternative zur Zeitarbeit – und dies ganz ohne zeitliche Befristung.

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